Bundesumweltminister Gabriel antwortet auf den Kohle-Appell an Kai Kühnel. Das Original der Antwort finden Sie in 2 angehängtem Kommentaren. Die Replik hier stammt von Ferdinand Dürr.
"Damit liegen wir gar nicht so sehr weit auseinander", schreibt Sigmar Gabriel in seiner Antwort auf den Campact-Kohle-Appell, nachdem er dessen Hauptforderungen zusammengefasst hat. Doch an neuen Kohlekraftwerken will er dennoch festhalten. Dafür führt er zwei Günde an: Erstens könnten nur mit neuen, billigen Kohlekraftwerken ältere, ineffizientere Kraftwerke aus dem Markt gedrängt werden. Zweitens würden Erneuerbare Energien und der Handel mit CO2-Zertifikaten einen strengen Rahmen vorgeben, der die CO2-Emissionen permanent reduziere.
Doch beide Argumente sind unzureichend begründet:
Zwar würden neue Kohlekraftwerke kurzfristig auch alte und damit noch ineffizientere ersetzen; dennoch schalten Energiekonzerne lieber ihre teuren, umweltfreundlicheren Kraftwerke ab als ihre alten, abgeschriebenen Kohlekraftwerke. Dadurch steigt der Anteil von Kohle im Strommix beim Neubau von Kohlekraftwerken an - und so steigt auch der CO2-Ausstoß je erzeugter Kilowattstunde Strom. Denn Kohlemeiler können selbst mit modernster Kraftwerkstechnik nicht einmal die Hälfte der eingesetzten Energie in Strom umwandeln. Der Rest geht als Abwärme verloren - ungenutzt, wenn Kraft-Wärme-Kopplung nicht verpflichtend vorgeschrieben wird, wie vom Kohle-Appell gefordert!
Wegen der Langfristigkeit der Investitionen in neue Kraftwerke, täuscht sich der Umweltminister, wenn er schreibt, es komme gar nicht darauf an, wie viele Gas- oder Kohlekraftwerke in Zukunft gebaut würden. Von einem "strengen Rahmen" kann man beim Emissionshandel nur schwerlich sprechen, denn Festlegungen gibt es bisher nur bis ins Jahr 2020. Kohlekraftwerke, die jetzt neu ans Netz gehen, werden auch zwischen 2040 und 2050 noch Strom produzieren - oder das investierte Kapital wird aus Klimaschutzgründen nicht mehr genutzt. Wer heute neue Kohlekraftwerke baut, steht damit in Zukunft vor der Wahl: Entweder bleiben Milliarden-Investitionen ungenutzt oder die Klimaschutz-Ziele werden aufgegeben. Ihre Lobbymacht haben die Energiekonzerne in der Vergangenheit schon unter Beweis gestellt.
Zwei Weichenstellungen, die Sigmar Gabriel beschreibt, sind sicherlich von entscheidender Bedeutung: Das Festhalten am Atomausstieg bei gleichzeitigem massivem Ausbau der Erneuerbaren Energien und ein deutliches Mehr an Energieeffizienz. Doch nicht nur der Weiterbetrieb von Atomkraftwerken verhindert den Ausbau der Erneuerbaren und gefährdet die Schaffung tausender Arbeitsplätze in dem Bereich, sondern auch der Neubau von Kohlekraftwerken (vgl. Kurz-Info zum Erneuerbare-Energien-Appell). Und zudem fängt Energieeffizienz bei der Stromproduktion an: Nur wenn neu gebaute Kraftwerke die eingesetzte Energie zum größtmöglichen Teil nutzen und zusätzlich die Abwärme als Heizenergie genutzt wird, kann man von effizienter Stromproduktion sprechen
Für beide Bereiche - wie auch für das Problem der ineffizienten Altanlagen - schlägt der Campact-Kohle-Appell, der auf einem Vorschlag der Deutschen Umwelthilfe aufbaut, eine Lösung vor. Mit einem Gesetz...
...sollen nur noch moderne, hocheffiziente Kraftwerke ans Stromnetz gelassen werden.
...soll die Nutzung der Abwärme als Heizenergie verpflichtend vorgeschrieben werden.
...sollen alte, ineffiziente Kraftwerke mit einem langsam steigenden Mindestwirkungsgrad aus dem Markt gedrängt werden.
Selbst wenn wir das Festhalten am Ausstieg aus der Atomenergie und den Ausbau der Erneuerbaren Energien begrüßen: Herr Gabriel, wir könnten uns in der Energiepolitik noch deutlich näher sein. Wagen Sie den nächsten Schritt, machen Sie den Neubau von ineffizienten und klimaschädlichen Kohlekraftwerken unmöglich!
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Der Kohlosaurus besucht die Dachauer Altstadt
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Die Veranstaltung über die die Dachauer SZ nicht berichten wollte und weil wir das benennen sind sie jetzt beleidigt...
Erst Blutkohle, dann Blutstrom
Ab der Minute 6:10 min geht es um das Gebiet El Cerrjón in dem die Stadtwerke Dachau Kohle für die Kraftwerke abbauen lassen. Auch wenn man kein Spanisch kann, versteht man den Beitrag sehr gut. Auch die ersten 6 Minuten lohnen sich anzusehen.
Vorsicht emotional! Werkausschussmitglieder/-leiter bitte nicht klicken, das schadet Ihrem Gewissen.
Geschenk an die Werkleitung
Atom und Kohle: Aus den Augen aus dem Sinn
Get clean coal clean! (NEW Air Freshener)
“Es ist so sauber”, freut sich der Familienvater am Anfang des Spots. Darauf der gelackte Verkäufer: “Ist gewöhnliches ’sauber’ für Ihre Familie sauber genug?” Und überreicht das neue “Clean Coal Clean”, den neuen “Saubere Kohle-Reiniger”. Die Stimme aus dem Off erklärt: “Die Bezeichnung ‘Saubere Kohle’ macht sich die wunderbare Stärke des Wortes ’sauber’ zunutze - um es als sauberstes ’sauber’ überhaupt erscheinen zu lassen.” Und dann nochmal der Verkäufer: “Clean Coal wird unterstützt von der Kohleindustrie, der vertrauenswürdigsten Stelle in Sachen Kohle.” - “In Wahrheit gibt es so etwas wie ’saubere Kohle’ nicht”, schließt der Abspann.
Diesen Spot produzierten die Oscar-Preisträger Ethan and Joel Coen (”No Country for Old Men”, “The Big Lebowski” u.a.).
Noch mehr Spots zu dem Thema finden Sie hier.
Sehr geehrter Herr Kühnel,
AntwortenLöschenSie haben sich an einer Unterschriftenaktion der Organisation „Campact“ beteiligt, die direkt an mich als Bundesumweltminister gerichtet ist. Daher möchte ich Ihnen auch direkt antworten und meine klima- und energiepolitische Position kurz darlegen. Das kann auf diesem Wege natürlich nur in Umrissen geschehen. Wenn Sie sich intensiver mit diesem Thema auseinandersetzen wollen, nutzen Sie doch bitte auch unser umfangreiches Angebot auf der Internetseite des Bundesumweltministeriums (BMU) unter www.bmu.de. Unter http://www.bmu.de/43105.php finden Sie unsere Roadmap „Neues Denken – neue Energie“, die ausführlich die BMU-Strategie für eine moderne und nachhaltige Energieversorgung der Zukunft und die Rolle der Kohle in diesem Zusammenhang darstellt.
Sie sprechen sich gegen den Bau von Kohlekraftwerken aus, weil Sie befürchten, dass wir dadurch unsere Klimaziele verfehlen. Als Alternativen fordern Sie Energieeinsparungen, moderne Gaskraftwerke und den stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien. Das sind für Sie die entscheidenden Stellschrauben für eine konsequente Energiewende.
Damit liegen wir gar nicht so sehr weit auseinander. Auch wenn wir unterschiedliche Einschätzungen zu einzelnen energiepolitischen Punkten haben, so sind wir uns doch einig, dass ein konsequenter Klimaschutz eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit ist.
Konkret bedeutet das, dass die Treibhausgas-Emissionen drastisch sinken müssen, um zumindest eine Erwärmung der Erde um mehr als 2°C zu verhindern. Denn gänzlich verhindern können wir den Klimawandel nicht mehr; aber wir können ihn zumindest begrenzen. Dafür arbeiten wir mit ganzer Kraft. In Deutschland werden wir schon bis 2020 eine CO2-Minderung um 40% gegenüber 1990 erreichen. Und danach muss es direkt und mit gleicher Intensität weiter gehen: Schließlich müssen wir bis 2050 die Treibhausgas-Emissionen um 80-95% senken. Eine gewaltige Herausforderung!
Sie sehen bei diesen Zielen keinen Platz für neue Kohlekraftwerke, sondern fordern stattdessen, dass neben den erneuerbaren Energien nur noch Gaskraftwerke mit Kraft-Wärme-Koppelung erlaubt sein sollen. Diese Einschätzung teile ich so nicht. Denn nach meiner festen Überzeugung werden wir für eine Übergangsphase noch einige neue Kohlekraftwerke brauchen, und zwar aus zwei Gründen:
Zum einen ist die Erzeugung von Strom in Gaskraftwerken deutlich teurer als in Kohlekraftwerken. Deshalb können Gaskraftwerke im Markt die alten, ineffizienten Kohlekraftwerke nicht verdrängen. Für den schrittweisen Übergang zu einer höheren Energieeffizienz und einem höheren Anteil erneuerbarer Energien sind daher hoch effiziente und regelbare Kohlekraftwerke eine wichtige Brückentechnologie. Wichtig ist dabei, dass hoch effiziente neue Kraftwerke (möglichst mit Kraft-Wärme-Kopplung) ineffiziente alte Kraftwerke ersetzen. So stellen wir sicher, dass unsere ambitionierten Klimaziele nicht gefährdet sind.
Zum anderen gibt der Emissionshandel einen strengen Rahmen vor: Die CO2-Obergrenze für alle Kraftwerke und Industrieanlagen in Europa wird ab 2013 jährlich um mindestens 1,74% gesenkt, auch über 2020 hinaus – das ist geltendes Recht. Dies wird zu steigenden CO2-Preisen führen. Bei einem wachsenden Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien übernehmen diese neuen Kohlekraftwerke deshalb zunehmend die Funktion von “Ergänzungs-Kraftwerken“, d.h. sie stellen ihren Strom ergänzend zu den erneuerbaren Energien zur Verfügung und werden nur noch in Teillast gefahren.
AntwortenLöschenDie Energieversorgungsunternehmen kennen diese Rahmenbedingungen, auf die sie sich einstellen müssen, wenn sie heute Kraftwerke bauen. Daher wird auch nur ein Teil der geplanten Kohlekraftwerke realisiert.
Für eine moderne und nachhaltige Energiepolitik der Zukunft ist deshalb auch gar nicht die entscheidende Frage, wie viele Gas- oder Kohlekraftwerke in den nächsten Jahren noch gebaut werden. Die wichtigsten Weichenstellungen sind vielmehr:
· das Festhalten am Atomausstieg und an dem ambitionierten Ausbau der erneuerbaren Energien;
· mehr Energieeffizienz, denn je weniger Strom verbraucht wird, desto weniger Kraftwerke werden benötigt.
In diesen beiden Punkten sind wir uns ja auch völlig einig. Lassen Sie uns also gemeinsam an der Umsetzung dieser Kernpunkte einer modernen Energiepolitik arbeiten und uns dafür engagieren. Ich jedenfalls werde meinen Beitrag dazu leisten.
Bleiben auch Sie bei Ihrem Engagement für den Klimaschutz und mischen Sie sich weiterhin ein. Das ist gut für das Klima – und gut für unsere Demokratie!
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Sigmar Gabriel