Zehn Wochen nach
dem wegweisenden Trianel-Urteil hat das Oberverwaltungsgericht Münster jetzt die
181 Seiten starke Begründung für die vom nordrhein-westfälischen Landesverband
des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erstrittene Aufhebung der
Kraftwerksgenehmigung vorgelegt. Der 8. Senat des OVG unterstreicht darin die
schon in der mündlichen Verhandlung aufgedeckten massiven Planungsfehler. Das
Gericht war am 1. Dezember nach insgesamt dreitägiger mündlicher Verhandlung der
BUND-Argumentation gefolgt, wonach die Genehmigung des geplanten 750
Megawatt-Steinkohlekraftwerks wegen gravierender umweltrechtlicher Verstöße
aufzuheben sei. Trotz langjähriger Vorbereitung war der Vorhabensträger Trianel
bei der Prüfung der Umweltverträglichkeit durchgefallen.
Das Urteil ist
über den Einzelfall hinaus höchst bedeutsam. Die OVG-Entscheidung verpflichtet
alle Genehmigungsbehörden zur zukünftigen Gesamtbetrachtung aller schädlichen
Umwelteinwirkungen von verschieden Projekten in einer Region. Die auch von der
Bezirksregierung Arnsberg gerne praktizierte Salamitaktik, einzelne Vorhaben zu
genehmigen ohne deren Summationswirkung mit anderen Vorhaben zu betrachten, ist
damit unzulässig. Im Endeffekt mache das erstrittene Urteil auch deutlich, dass
der stark vorbelastete Raum keine weiteren Schadstoffe mehr verträgt.
Darüber hinaus
deckte das Oberverwaltungsgericht in dem Urteil auch die Rechtswidrigkeit einer
Erweiterungsgenehmigung der Aurubis-Kupferhütte in Lünen auf. Gegen diese
Genehmigung hatte der BUND keine Klage eingereicht. Das Urteil belegt damit nach
Auffassung des BUND auch eindrucksvoll die vielfältigen Versäumnisse der
Bezirksregierung Arnsberg als Genehmigungsbehörde. Anstatt Anträge kritisch auf
Umweltverträglichkeit zu prüfen, seien diese anscheinend nur durchgewunken
worden. Als Skandal wertet der Umweltverband, dass geltendes Recht erst nach
jahrelangen Prozessen vor Gericht gegen die Bezirksregierung durchgesetzt werden
konnte.
Ob das Kraftwerk
nach einem neuen Genehmigungsantrag jemals in den Betrieb gehen kann, ließ das
Gericht offen. Allerdings wiesen die Richter deutlich auf die noch ausstehende
Klärung der großen wasserrechtlichen Genehmigungshindernisse hin. Obwohl Trianel
zum Beispiel die von der Bezirksregierung bereits genehmigten
Quecksilbereinleitungen in die Lippe unter dem Druck der BUND-Klage um 97
Prozent reduziert hat, liegen diese immer noch über den zulässigen
Werten.
Da das Gericht
eine Revision nicht zuließ, bleibt der Beklagten jetzt nur noch die Möglichkeit
einer so genannten Revisionsnichtzulassungs-Beschwerde beim
Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Die Frist dafür endet am 10. März 2012.
Letztendlich bewertet der BUND das Verfahren schon jetzt als Erfolg für den
Rechtsstaat.